Eines meiner Konzepte bildkünstlerischen Arbeitens – Malen als Befreiung des Sehens
Malendes Ausdehnen einer bevorzugten Farbe
zu ihren Buntheitspolen hin.
Zum Beispiel
ein Blau hin zu Gelb über Grün
und zu Rot über Violett.
Dabei entstehen durch die transitorische Farbauftragsweise in sich bewegte farbästhetische Tiefenräume.
Anders gesagt: Gesten des Malens erzeugen anschauliche Bewegungsgestalten,
die Bildvorstellungen evozieren,
aus denen die Komposition des Bildes hervorgeht:
das Bild geht aus seinem, ihm gemäßen Entstehungsprozess hervor
und sagt, wann es fertig ist.
Oder, mit Kandinsky: die Entstehung des Bildes folgt seiner inneren Notwendigkeit.
Dieser Malprozess erfolgt schichtweise:
ein Farbton wird zunächst stark aufgehellt und dann, Schicht für Schicht, intensiver in seinem Buntheitswert aufgetragen,
so dass es zu anschaulichen Qualitäten von
Raum, Licht und Bewegung kommt.
Diese Qualitäten bestimmen die gestalterischen Entscheidungen und geben die Richtung an, in die sich das Bild entwickeln können soll.
Der Maler ist dabei Akteur und Medium des Gestaltungsgeschehens in einem. Er bringt nicht nur das Bild hervor, sondern immer wieder auch etwas in ihm, das zuvor nicht da war – neue Einsichten: seien sie sinnlicher bzw. ästhetischer, handwerklich-technischer oder gestaltungsspezifischer bzw. kompositorischer Art.
Meine sich so ereignende bildkünstlerische Praxis bezeichne ich als eine sympoietische Praxis. Gemeint ist damit ein ganzheitliches Tätigsein, bei dem ich mich gemeinsam mit meinem in seinem Entstehen befindenden Werk selbst mit hervorbringe – im wechselwirksamen Austausch mit diesem Prozess. Werkentstehung und Selbstwerdung bedingen einander und bringen einander hervor.
Über dieses wechselwirksame Hervorbringungsgeschehen von Künstler und Werk bzw. Mensch und Welt habe ich mehrere Bücher verfasst. In Wikipedia ist dies wie folgt beschrieben:
»Der Begriff der Sympoiesis oder Sympoiese basiert auf der Theorie der Autopoiesis oder Autopoiese der chilenischen Neurobiologen Humberto R. Maturana und Francisco J. Varela[5] – und damit zugleich auch auf dem ontologischen Konzept der emergenten Selbstorganisation.
Ein autopoietisches System verwirklicht sich, indem es die Komponenten, aus denen es besteht, in einem zirkulären oder rekursiven Prozess selbst hervorbringt – von der einzelnen biologischen Zelle ausgehend über Vielzeller bis hin zu komplexen beweglichen Organismen und Lebewesen wie Säugetiere und Menschen, im Austausch mit ihren spezifischen biosphärischen Milieus.
Die theoretische Erweiterung bzw. Aufhebung des Konzepts der Autopoiesis oder Autopoiese durch das Konzept der Sympoiesis oder Sympoiese ereignete sich zeitgleich und unabhängig voneinander 1998 auf zwei unterschiedlichen Wissenschaftsgebieten: zum einen in der Umweltwissenschaft durch Beth Dempster, Kanada (1998, 2000), und zum anderen in der Bildungswissenschaft durch Hans Raimund Aurer, Deutschland (1998, 2000). Bis zur Veröffentlichung von Lernen ist intensives Leben (Aurer 2011, 2. Aufl. 2019) und Unruhig bleiben (Haraway, 2018) war der Begriff der Sympoiese der wissenschaftlichen Öffentlichkeit noch nicht geläufig.«
Aus: de.wikipedia.org